Stoffarbeiten Text

Honor an Error as a hidden Intention.

Brian Eno

 

Zu den Stoffarbeiten von Micha Mohr

 

Gefundene Gewebe aller Art sind schon lange Ausgangs- und Trägermaterial für die Arbeiten von Micha Mohr. Als eine der beiden Partnerinnen von Mama-Products (die andere war Bettina Ulitzka) bedruckte sie Satin Kissen mit gähnenden Frauen-Porträts für die Serie „Mothers of Pearl“, rahmte schwarz/weiß Fotos wie zufällig hingeworfener Dessous in bunt-textilen Passepartouts („Vive le boudouir“) oder installierte 2008 im Hamburger Mercado über 1000 Stücke gewaschener Wäsche auf zwischen den Fahrstühlen gespannten Wäscheleinen („Getragen und Geweiht“) was dann aussah wie eine Fata Morgana von Neapel in Altona.

 

Mittlerweile scheinen ihre Arbeiten abstrakter, ungegenständlicher geworden zu sein, doch vielleicht trügt dieser Eindruck. Denn erzählt wird hier immer noch, wenn auch freier/assoziativer. Wollte man die Musik als Metapher benutzen, könnte man sagen: Instrumentaler: Minimal Music statt Singer-Songwriter. Hier wird Stoff zum Erzähl-Stoff. Heterogene, zeitlich versetzte Erlebnisfragmente evozieren auf der Fläche des Keilrahmen-Bildes zusammengenäht vage Erinnerungen. Nicht mehr ganz konkret und vollständig erzählbare Traum-Stücke nach dem Erwachen: Da finden sich weiß gepunktete Frottee-Handtücher aus den 60er Jahren neben einem gestreiften Badetuch aus den 50ern, karierte Bettwäsche der 70er grenzt an antikes Leinen aus dem Himalaya und heutige Maler-Baumwolle. Oben rechts dann noch ein Streifen dunkelroten Polsterstoffs. Das Ganze Hard-Edge-mäßig aneinandergenäht und auf Keilrahmen aufgezogen. Ich denke an Sommer, Kindheit, Ferien an der See.

 

In der anderen hier abgebildeten kleineren Arbeit geben sich 6 versetzt genähte Stücke alten Bügeltuchs aus den 40ern und drei gelbe Stoffflächen ein sorgsam rhythmisiertes Stelldichein. Hier drängen sich mir eher dunklere Begrifflichkeiten auf, aber das ist sicher völlig subjektiv.

Das leicht irreguläre wäre hier noch anzumerken, das entsteht wenn die rückseitig vernähten Stoffe auf den Rahmen gespannt werden und durch ihre unterschiedliche Elastizität die Nähte leicht verzerren. Dies ist durchaus kein Manko sondern eher halbbewusste Intention, siehe Eingangszitat.

 

Die kleine mit transparenter Gaze umnähte Draht Plastik (wiederum O.T.) hat etwas abstrakt-organisches: kühl hellblau und weißlich-roséfarben eingefasste Armierungs-Eisen paaren sich hier. Auch dies erscheint wie ein Kaleidoskop aus Zeitfragmenten: Drahtskulptur erinnert an 50er Jahre, das Textil an Degas´ kleine angezogene Bronze-Tänzerinnen. Dennoch ist das Objekt in seiner zarten Rohheit völlig zeitgenössisch.

 

Claus Sautter, 2018


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